Lebensräume der Haie
70.8% der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt. Die Meere enthalten rund 96% des gesamten Wasservorrats der Erde, dies sind über 1'350 Millionen Tonnen. Doch Meer ist nicht gleich Meer. Die grösste Biodiversität und somit das grösste Nahrungsangebot findet sich in den relativ flachen, nur etwa 200 m tiefen, Gebieten über den Schelfgebieten vor den Küsten. Dort tragen die Flüsse Nährstoffe für Kleinstlebewesen ins Wasser, die die Basis der Nahrungsnetze darstellen. Die meisten der ungefähr 500 bekannten Haiarten leben in diesen biologisch hochproduktiven Bereichen. Die Haie haben jedoch auch die Hohe See und die Tiefsee erobert und einige leben sogar im Süsswasser.
Doch das Meer ist kein Ort, an dem es sich einfach leben lässt. Hoher Salzgehalt, schlechte Sicht bis ewige Nacht, grosse Druckunterschiede, riesige Weiten und tiefe Temperaturen erfordern spezifische Anpassungen.
Die Shelf Regionen sind auf dieser Aufnahme in einem hellen Türkis dargestellt.
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Anpassungen ans Leben im Wasser
Wasserwelt
Das Meer ist ein komplexer, dreidimensionaler Lebensraum. Das Leben im Wasser ist nicht einfach und erfordert von allen dort lebenden Organismen spezifische Anpassungen.
Körperformen
Der Lebensraum und die Lebensweise bestimmen auch im Meer die Körperform. Die Körper der schnell schwimmenden Haie sind in der Regel torpedoförmig. Bodenlebende Formen sind meistens flacher und haben breite Brustflossen. Die skurrilsten Haie finden sich in der Tiefsee, wobei es für viele ihrer speziellen Anpassungen noch keine eindeutigen Erklärung gibt.
Sicht und Sehen
Die Sicht unter Wasser ist in der Regel wesentlich schlechter als an Land. Es gibt Schwebeteilchen und Wasser absorbiert Licht. Wer unter Wasser sehen möchte, braucht fast ein Nachtsichtgerät.
Gerüche und Geruchssinn
Wer im Meer etwas riechen möchte, muss eine sehr gute Nase haben. Im Wasser verbreiten sich Gerüche viel langsamer als in der Luft.
Schall und Hören
Wer wenig sieht muss gut hören können. Schall breitet sich im Wasser durch dessen hohe Dichte schneller aus als an Land. Haie orten entfernte Beute mit den Ohren.
Orientierung
Speziell im offenen Meer ist die Orientierung unter Wasser sehr schwer. In Ermangelung von Geländemarken werden Haie zum Kompass. Die Erdmagnetfelder dienen ihnen zur Orientierung. Wie sie das machen ist noch weitgehend unerforscht.
Druck und Dichte des Wassers
Unter Wasser schwimmen ist recht einfach, vorausgesetzt, man hat den richtigen Auftrieb und Systeme zum Druckausgleich. Haie haben keine Schwimmblase und benutzen meist ihre sehr grosse, ölreiche Leber als Schwimmkörper.
Salzgehalt
Ohne ausgeklügelte Regulation des körpereigenen Salz- und Wasserhaushaltes wären Haie kugelrund, denn der Salzgehalt ihres Körpers ist höher als der des sie umgebenden Meerwassers und zieht somit Wasser an.
Atmung
Im Meer muss der Sauerstoff dem Wasser abgerungen werden. Dies geschieht bei Knorpel- und Knochenfischen mittels Kiemen. Aber das kalte Meerwasser durchströmt dabei permanent die Kiemen und entzieht dem Körper Wärme.
Temperatur
Wer ein paar Grad wärmer ist als die Anderen, ist schneller und somit ein effizienterer Jäger. Das Wärmegesetz sagt, dass eine Erhöhung von 10 Grad Celsius die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion verdoppelt bis verdreifacht. Einige Haiarten können ihre Körpertemperatur weit über der Wassertemperatur halten.
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Hochsee: Die Wüsten der Meere
Die Hochseegebiete sind die Wüsten der Meere. Unendliche dreidimensionale Weiten mit wenig Nahrung, denn die Nahrungsnetze basieren auf Kleinstlebewesen. Diese sind auf Mineralien, die von Flüssen ins Meer getragen werden oder aus der Tiefe durch Strömungen an die Oberfläche gelangen, angewiesen. Es gibt jedoch einige Oasen in denen reiches Leben existiert. In diesen Oasen können sich Nahrungsnetze entwickeln, wie zum Beispiel im Sargassomeer.
Die Nahrungsnetze im Meer sind komplex und die Verfügbarkeit von ausreichend Nahrung ist oft von den Jahreszeiten abhängig. Plankton ist dabei die Basis allen Lebens. Planktonblüten finden jedoch nur zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten statt. Plankton fressende Haie wie die Walhaie und Riesenhaie wandern von Planktonblüte zu Planktonblüte. Doch auch Haie, die sich von Fischen ernähren, suchen diese Regionen. Denn während Planktonblüten sammeln sich dort kleinste und kleine sowie grosse Fische. Haie legen auf der Suche nach Nahrung oft riesige Distanzen zurück, die jährlich mehrere 1'000 km betragen können.
Hochseehaie wie Makos und Blauhaie folgen auch Fischschwärmen, die auf Nahrungssuche sind. Somit kommen sie in den Einzugsbereich der internationalen Fischfang Flotten und werden brutal dezimiert. Die langen Wanderwege erschweren auch ihren Schutz. Sind bedrohte Haiarten in einem Land geschützt, kann es gut sein, dass sie auf ihren Wanderungen durch Regionen kommen, in denen sie nicht geschützt sind. Hier versucht die Konvention für wandernde Arten (Convention for Migrating Species CMS) die Länder zu koordinieren.
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Tiefsee: Ewige Nacht, eiskalt und extreme Druckverhältnisse
Die Tiefsee ist die wohl unwirtlichste Region der Erde. Die ewige Nacht der Tiefsee erschwert die Sicht und Navigation und fordert extreme Anpassungen. Es herrschen dort in der Regel Temperaturen von 4° Celsius, denn bei dieser Temperatur ist das Wasser am schwersten. Die Druckverhältnisse von mehreren hundert Atmosphären beeinträchtigen sogar biologische und biochemische Prozesse.
Doch auch hier haben sich die Haie verbreitet und die skurrilsten Formen entwickelt. Der Koboldhai mit seiner langen Nase und den sehr langen, spitzen Zähnen ist nur eine dieser Formen.
Laternenhaie, die ebenfalls die Tiefsee bevölkern, haben ihren Namen daher, dass sie im Dunkeln leuchten. Ihre spezifischen Leuchtmuster sollen dabei der Arterkennung dienen.
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Schelfregionen: Das Schlaraffenland
Die Kontinentalsockel stellen mit ihren Riffen, Watt-, Sand- und Felsstrukturen den komplexesten Lebensraum der Meere dar. Flüsse bringen nährstoffreiches Wasser ins Meer und liefern den untersten Gliedern der Nahrungsketten immer ausreichend Mineralien und Nährstoffe. So können grosse, komplexe Nahrungsnetze entstehen. Der stark strukturierte Lebensraum bietet verschiedene ökologische Nischen, die einen grossen Artenreichtum begünstigen.
In Regionen mit der genau richtigen Temperatur, genügend Nährstoffen und in Tiefen, in denen noch ausreichend Licht einfällt, entstehen Korallenriffe. Der Artenreichtum der Riffe ist enorm, sie bieten vielen Arten von Würmern, Muscheln, Krebsen und Fischen Jagdreviere und zugleich Verstecke. Haie, von den bodenlebenden und auf Muscheln und Krebse spezialisierten Arten, über reine Riffhaie ziehen sie mit ihrem Nahrungsangebot auch Hochseehaie an.
Doch viele Riffe wie z.B. das grosse Barrier Riff vor Australien sind durch Umweltverschmutzung, Klimaerwärmung und Übersäuerung der Meere durch zu viel Kohlendioxyd gefährdet.
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Süsswasser
Einige wenige Haie und Rochen können zeitweise im Süss- oder Brackwasser leben.
Nur wenige Arten wie die Bullenhaie verbringen längere Zeit im Süsswasser. Bullenhaie sind oft in Flussmündungen zu finden, können jedoch auch bis tausende Kilometer, z.B. im Amazonas, die Flüsse hinauf schwimmen oder in Seen auftauchen. Auf Fidschi finden sich junge Bullenhaie in Flussläufen, die vor grösseren marinen Jägern geschützt sind. Eine Bullenhai Population existiert oder existierte im Nicaragua See, die ihr ganzes Leben in diesem See verbrachte und nicht mehr in Meer zurückkehrte (land locked). Diese bisher einzig bekannte solche Population scheint jedoch von Fischern ausgerottet worden zu sein. Ein französisches Kamerateam hat im Nicaragua See vor einigen Jahren zumindest keine Bullenhaie mehr gefunden.
Einige Haiarten leben effektiv im Süsswasser. Dies sind die Haie der Gattung Glyphis, die in Flüssen wie dem Ganges und Hugli in Indien, Westbengalen und ev. Pakistan gefunden werden. Auf der Roten Liste des IUCN sind Gangeshaie als kritisch gefährdet eingestuft. Es ist fraglich, ob sie überhaupt noch existieren.
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Mangrovengebiete: Die geschützten Kinderstuben
Die Mangrovengebiete der tropischen und subtropischen Regionen werden von Fischen und Haien als Kinderstuben genutzt. Diese Flachwasserregionen sind für grössere Jäger schwer zugänglich. Die Mangrovenwurzeln bieten Schutz und Jungtiere finden zwischen ihnen ein reichhaltiges Nahrungsangebot.